Sorayas Weg
Soraya (38) lebt, zusammen mit ihren vier Kindern, seit zwei Jahren in Roßdorf. Sie bewohnen ein (zu) kleines Appartement in der Nachbarschaft der früheren Gemeinschaftsunterkunft „In den Leppsteinswiesen“. Nach Deutschland kam die geborene Somalierin im Alter von 15 Jahren mit der Familie ihrer Tante, in der sie aufwuchs. Sie waren vor dem Bürgerkrieg in der Heimat zunächst nach Italien geflohen.
Heute hat Soraya selbst Familie und ist stolz auf ihre Kinder: Der Kleine (4) geht zur Kita, „die Großen“ (10, 13, 15) besuchen den Gymnasialzweig der Justin-Wagner-Schule. Dass sie erfolgreich in der Schule sind, ist Soraya wichtig. „Viele Deutsche denken, nur weil wir dunkelhäutig und Muslims sind, und weil ich Kopftuch trage, wäre uns eine gute Bildung nicht wichtig. Aber das ist falsch!“, betont sie. Ihre Kinder sollen eine gute Ausbildung bekommen. Möglichkeiten, die sie selbst nicht hatte. Denn erst standen der Bürgerkrieg in Somalia und ihre Flucht, später dann ihre Familienverantwortung dem eigenen Lernen im Weg.
Eine Ausbildung zur Verlagskauffrau brach sie ab, als sie schwanger wurde. 2010 siedelte sie nach Großbritannien um, wo ein Teil ihrer Familie lebt. Dort studierte sie später mit dem Ziel, Hebamme zu werden, unterbrach das aber als sich weiterer Nachwuchs einstellte.
Später qualifizierte sie sich zur „teacher assistent“ (Hilfslehrkraft) und unterrichtete Kinder aus zugewanderten Familien im Tandem mit einer Lehrkraft. Dabei kamen ihr ihre eigene Bildungsmotivation, ihr Talent mit Menschen umzugehen und ihre Freude am Lernen sowie ihre Sprachkenntnisse zugute.
Soraya spricht vier Sprachen fließend: Italienisch lernte sie in ihrer Zeit in Italien, bevor sie von dort nach Deutschland kam und später nach England ging. Heute ist ihre große Familie über den halben Erdball verstreut, im Kern ist sie aber in der somalischen Kultur, in England und Deutschland zu Hause. Diese Sprachen spricht die Familie. Und glücklicherweise haben Soraya und ihre Kinder inzwischen die deutsche und die britische Staatsangehörigkeit. „Zum Glück, bei diesem Brexit“, sagt sie und schüttelt den Kopf. Ihr Ehemann und Papa der Kinder lebt noch in London, möchte aber bald zur Familie zurück. Soraya selbst kam 2017 aus London nach Roßdorf, vor allem der Kinder wegen: Sie sollten in einer ruhigen, friedlichen und eher ländlichen Umgebung aufwachsen, weit weg von der Gewalt und offenen Diskriminierung einer Mega-City. „Hier in Roßdorf fühlen wir uns wohl. Hier wollen wir bleiben. Hoffentlich finden wir hier für unsere Familie eine bessere Wohnung. Wir suchen eine Vier-Zimmer-Wohnung. Zurzeit wohnen wir auf sehr engem Raum“, erzählt sie.
Wenn die Kinder noch etwas größer sind, möchte Soraya wieder beruflich lernen oder studieren. Die selbstbewusste, engagierte Frau will finanziell auf eigenen Beinen stehen und nicht auf staatliche Hilfen angewiesen sein. Das ist ihr Herzenswunsch.
Talent, Motivation und Ausdauer dafür hat sie! Bisher fehlen Chancen und passende Lernbedingungen. Erste Schritte macht Soraya derzeit ganz auf eigene Initiative mit ihrem Minijob bei der Hausverwaltung ihrer Unterkunft sowie mit ihrem ehrenamtlichen Engagement. Davon erzählen wir nächste Woche.
Susanne Felger, AK Asyl Roßdorf-Gundernhausen